Wir fühlen uns dort zu Hause, wo wir verstanden werden und eine gemeinsame Sprache sprechen. Diesen Gedanken hat die Marketing-Abteilung von IKEA offensichtlich bestens verstanden. Mit schwedischem Akzent werden die deutschsprachigen Konsumenten höflich aufgefordert, sich neu in ihr Zuhause zu verlieben und ihr Heim mit schwedischen Produkten einzurichten. Stolz leuchten schwedisch klingende Namen auf den Katalogseiten. Ob das Stockholm-Sofa, die Stornäs-Anrichte oder das Ektorp-Bettgestell, sie alle gehören weltweit zum Verkaufskonzept von IKEA. Ein Beispiel aus der schwedischen Werbewelt, das seinesgleichen sucht.
Das aktuell in Schweden erschienene Buch „Verkauft auf Englisch? (Såld på engelska?)" beschreibt aus unterschiedlichen Perspektiven den (Ausnahme-) Zustand der schwedischen Sprache im Bereich Werbung und Vermarktung. Herausgeber ist die 2002 gegründeten Organisation „Svenska Språkförsvaret“, welche sich für den Schutz der schwedischen Sprache einsetzt und insbesondere auf den immer stärker werdenden Einfluss des Englischen aufmerksam machen möchte. Zur Sprachwahl in der schwedischen Werbung und Vermarktung äußern sich insgesamt 15 Personen, darunter Journalisten, Politiker, Sprachwissenschaftler, Lehrer, Soziologen und Unternehmer im Bereich Marketing. Werbematerial aus sämtlichen Bereichen des öffentlichen Lebens, wie Politik, Film, Presse und Einzelhandel, wird sprachkritisch untersucht, um den Krankheitsgrad der schwedischen Sprache zu diagnostizieren. Dass eine Infektion vorliegt kann beruhigt vorausgesetzt werden, ansonsten hätte dieses Buch nämlich gar nicht geschrieben werden können. Gleich im ersten Artikel wird die Diagnose schwarz auf weiß auf das Papier gebracht: Die schwedische Sprache ist vom Aussterben bedroht und sollte auf eine Unesco - Liste gesetzt werden. In den folgenden Beiträgen verdichtet sich das Bild. Eine Fülle von Beispielen wird dem Leser vor Augen geführt. Anfangs schmunzelt man, wenn beispielsweise die Öffnungszeiten Open 10-20 angeggeben werden und man darauf hoffen muss, dass das 24-Stundensystem auch Engländern/Amerikanern bekannt ist. Spätestens beim zweiten Beitrag von Jonathan Smith schlägt man jedoch erstaunt die Hände auf den Mund, wenn sich der gebürtige Engländer über die Verunstaltung seiner Muttersprache in schwedischer Reklame empört. Man schüttelt den Kopf, wenn man von Anglizismen liest, die im Sinne der Vermarktung an die Grenzen der Lächerlichkeit getrieben werden. Politiker geben sich international, indem Städteslogans wie Sigtuna - where Sweden begins vergeben werden und öffentliche Gebäude plötzlich in Swedish Music Hall of Fame oder Friends Arena umbenannt werden. Zynisch wird der Vorschlag unterbreitet, Englisch zur offiziellen Sprache Schwedens zu ernennen. Spätestens an dieser Stelle hat man als Leser den Ernst der Lage verstanden und fragt sich verzweifelt: Warum? Warum Englisch?
Die Herausgeber des Buches geben darauf zwei Antworten: Zum einen belegen verschiedene Untersuchungen, dass das Bewusstsein über die Bedeutung der Sprachwahl in der Werbewelt eher sekundär ist. Das Englische hat demnach eine unhinterfragte Akzeptanz und wir sollten uns daran gewöhnen. Warum, das weiß man eigentlich nicht so genau und beruht mehr oder weniger auf der Annahme, dass das Englische ein gewisses Prestige genießt und ohnehin von jedem verstanden wird.
Zum anderen wird das mangelnde Selbstvertrauen der schwedischen Sprachträger als eine mögliche Ursache benannt. Schwedisch weicht vorschnell dem Englischen, macht sich klein und beugt sich dem internationalen Marktgeschehen. Werbung auf Englisch stärkt das Selbstwertgefühl. Das Produkt bekommt einen höheren Status und kann sich Dank der englischen Sprache mit positiven Attributen wie international, weltoffen oder modern schmücken.
Aber Werbung, die nicht verstanden wird, verfehlt ihre Wirkung. Viel wichtiger ist demnach die Frage, welche Zielgruppe ausgeschlossen wird, wenn Werbung in Schweden auf Schwedisch erfolgt? Eine Lösung, die im Umgang mit dem Englischen angeboten wird, ist, Schlagwörter auf Schwedisch zu formulieren und den Untertext in verschiedenen Sprachen zu schreiben. Erst dann ist Werbung wirklich international und bezieht alle potentiellen Konsumenten des Landes mit ein. Die gemeinsame Sprache der Einwanderer in Schweden ist nämlich nicht Englisch, sondern Schwedisch.
Jede Sprache hat einen ihr eigenen Wert und ist nicht allein als Mittel, sondern als Zweck an sich zu wertschätzen. Wird Sprache von der Werbeindustrie instrumentalisiert, ergeben sich Fehlübersetzungen und Missverständnisse, die zur Verarmung aller beteiligten Sprachen führen. Am Ende stellt sich einzig und allein die Frage danach, wie sich dieser Prozess aufhalten lässt. Eine Antwort darauf ist dieses Buch, das den Finger genau auf die Wunde legt und damit eine wichtige Debatte zum Umgang mit Sprache weckt. Das Rezept: Stolz die Sprache dort anwenden, wo sie zu Hause ist und täglich mit viel Liebe in den Augen und Ohren aller Konsumenten verteilen. Konsumenten sind nämlich auch Menschen.
Eyleen Kotyra
(Recensionen har publicerats i Deutsche Sprachwelt Ausgabe 52 2013 - här med författarens och redaktionens tillstånd)