Sprakforsvaret
   

Schwedisch schätzen, schützen, schenken

„Språkförsvaret“ hat einen anspruchsvollen Sammelband herausgegeben

Von Jürgen Honig

Das Englische dringt immer schneller in die Nationalsprachen ein. Das Unbehagen dagegen schwillt an; nicht nur in Deutschland, sondern auch in Schweden, das auch sonst dem „Neumodischen“ so sehr zugetan ist.

Vor knapp zehn Jahren fanden  sich zahlreiche Schweden zusammen, von der Liebe zu ihrer Sprache angetrieben.  Sie gründeten  das Internetportal „Språkförsvaret“ – www.sprakforsvaret.se -  auf Deutsch am besten mit ‚Sprachwehr’ übersetzt. Im Laufe weniger Jahre hat sich daraus ein Netzwerk entwickelt, eine Art Lobbyisten-Plattform, die sich wortgewaltig für die Eindämmung des im Muttersprachgebiet wild wuchernden Englisch einsetzt. Vorrangigstes Anliegen der Sprachfreunde war bislang das Zustandekommen des schwedischen Sprachgesetzes, das am 1. Juli 2009 in Kraft trat.

Frank-Michael Kirsch hat in der DEUTSCHEN SPRACHWELT („Das Schwedische verteidigen“, DSW 45, Seite 4)  Beweggründe und Auftreten der Sprachwehr-Aktivisten eingehend und anschaulich dargestellt. Jetzt hat „Språkförsvaret“  unter Federführung des Vorsitzenden Per-Åke Lindblom und seines Stellvertreters Arne Rubensson die aussagestärksten netzwerkeigenen Schriften zu einer Anthologie zusammengestellt: „Svenskan – ett språk att äga, älska och ärva“ (‚... haben, lieben, erben’ oder in Alliteration wie im Original: ‚Schwedisch schätzen, schützen, schenken’).

In zehn Hauptkapiteln und 33 Einzelbeiträgen sowie einem Manifest arbeiten  die Sprachwehr-Autoren so gut wie lückenlos alles ab, was derzeit ihrem Urteil nach die eigene Muttersprache gefährdet. Und was die Folgen sein könnten, wenn – wehret den Anfängen - dem nicht Einhalt geboten wird. Den Gegner verorten sie auf vielen Gebieten des täglichen Lebens. Beharrlich ist er auf dem Vormarsch: In der Wirtschaft, allen voran deren willige Helfer, die Werbe-Fuzzis. In den Druck-, Ton- und Bildmedien, wo das Angelsächsische geradezu grassiert; in den Behörden aller Ebenen, wo man sich ohne Not des Englischen befleißigt; in der Bildung, die ebenfalls gern die angelsächsische Karte spielt. Das sind ausnahmslos Entwicklungen, wie sie auch im deutschen Sprachraum nur allzu bekannt sind.

Die Autoren versichern wiederholt – und durchaus glaubhaft –, nicht auf der fremdenfeindlichen Welle zu schwimmen. Überdies verkennen sie keineswegs, dass das Englische meist gar nicht als Angreifer daherkommt, sondern ihm wie Trojanischen Pferden geflissentlich Einlaß gewährt wird. Warum? fragen wir. Aus Einfalt? Bequemlichkeit? Hochstapelei? Aus Angst, im mörderischen globalen Wettbewerb nicht mithalten zu können. Aus Neigung, dem jeweils stärksten Häuptling nachzueifern?
    
Beredtes Beispiel sind Hörfunk und Fernsehen in Schweden. Zugegeben, bei knapp neun Millionen Einwohnern können die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht aus Mitteln schöpfen, wie sie ARD, ZDF, ORF, SR und Co zur Verfügung stehen. Dementsprechend mager ist die Schar der Berichterstatter, die zudem fast nur des Englischen mächtig sind. Die fatale Folge: Pidgin A fragt, Pidgin B antwortet. An groben Unfug grenzt es dabei, dass erst die englische Aussage kommt und danach das Ganze noch einmal auf Schwedisch. Und im Fernsehen sind vor allem die privaten Sender reine Abspielstationen für durchgehend nicht-synchronisierte US-Filme.
    
Das klingt übertrieben und böswillig. In Wirklichkeit haben wir es aber mit einem höchst bedenklichen Phänomen zu tun: Es bleibt immer etwas hängen. So sickert denn fast unmerklich die für Schweden kulturfremde Sprache und Denkweise ein und breitet sich aus. Die Leute hören nichts anderes, und dann wollen sie auch nichts anderes, denn dann kennen sie nichts anderes.  
    
Solche Mißstände prangert das Buch an und wird so zu einer vorbildlichen ideegebenden Mustersammlung, für all jene, die mit einem ähnlichen Anliegen am Werke sind. Besonders fesselnd sind die Bemühungen der Sprachwehr, die entscheidend zum Zustandekommen des schwedischen Sprachgesetzes beigetragen haben.
    
Einige vermeidbare Schwachpunkte sollen hier nicht verschwiegen werden: Es mindert die Aktualität, dass die wiedergegebenen Texte meist älteren Datums sind. Außerdem druckt die Sprachwehr zwar den von ihr erarbeiteten Entwurf eines schwedischen Sprachgesetzes im Wortlaut ab. Das letztlich am 1. Juli 2009 ausgefertigte Gesetz suchen wir jedoch vergeblich.  Verwunderlich ist auch, dass das Sprachwehr-Manifest etwas versteckt am Ende der Anthologie steht. Wünschenswert wären auch mehr Hinweise auf konkrete Erfolge der Sprachwehr-Arbeit.

Das Buch bietet des Weiteren zwar hervorragende Zustandsdiagnosen, doch deren Ursachen werden zu wenig diskutiert. Warum hat es das Englische so leicht, andere Sprachen zu infizieren? Das Schwedische ist keine Sprache der Technik, keine der philosophischen Erörterung, keine der Bankleute. Schwedisch, in dem sich noch eine Menge Altgermanisches erahnen lässt, ist die Sprache der Lyrik, die der wild lodernden Gefühle. Zu Recht ist Tomas Tranströmer 2011 mit dem Nobelpreis belohnt worden, verschlingen die Leute  die Bücher Henning Mankells und Stieg Larssons. In einer solchen Sprachwelt findet das kolossal praktische Englisch einen guten Resonanzboden. Auch solche Überlegungen hätten in das Buch hineingehört.

So ist dieses anspruchsvolle Buch, trotz seines schönen Titels zum Trotz für ausländische Leser, die immer wieder auf das „große Vorbild“ Schweden verweisen, nur bedingt empfehlenswert. Die Zustandsanalysen sind für ausländische Leser eher traurig. Dennoch sind die Artikel, Denkschriften und so weiter durchaus geeignet Sprachwahrern außerhalb Schwedens brauchbare Anregungen zu geben.

Das Buch ist vor allen Dingen von dem guten Willen getragen, der schleichenden Durchdringung der schönen hochkulturellen Sprache Schwedisch mit Angelsächsischem entgegenzutreten. Dieses Unterfangen ist aller Ehren wert, und die Netzwerker des Språkförsvaret werden diesem Vorsatz meisterlich gerecht. So bleibt zu wünschen, dass das Buch zahlreiche Leser wachrüttelt,  so dass diese ihre Sprache schätzen, schützen und ihren Nachfahren schenken können.

Jürgen Honig ist Ûbersetzer und lebt in Schweden

(Publicerad i Deutsche Sprachwelt nr 47 – här med författarens tillåtelse)


Recensionen finns översatt till svenska